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DIE VIELFALT BRINGT'S!

Die Brotvielfalt ist groß im Entdeckerviertel und jede Bäckerei hat einige Stars in der Verkaufstheke. Aber kaum ein Produkt verkörpert die Region so sehr wie das vielgeliebte Schusterlaiberl.

Wenn die Einheimischen im Entdeckerviertel ein Schusterlaiberl kaufen, hört sich im Dialekt viel liebevoller an: „Schuastaloabi“. Diesen süßen Klang bekommt man bei den Bäckern oft zu hören, denn das „Loabi“ ist die Nummer Eins auf der Beliebtheitsskala. „Ein kernwarmes Schuastaloabi mit den Händen in der Mitte aufreißen und reinbeißen, das ist geschmacklich ein Wahnsinn“, schwärmt Michael Hellstern von der gleichnamigen Bäckerei. „Viele fahren extra zu uns direkt vis-à-vis der Wallfahrtskirche Maria Schmolln, um sich hier eines der begehrten Kleingebäcke zu holen“, erzählt er stolz. „Wir arbeiten mit einem alten Familienrezept mit 60 % Roggenanteil und 40 % Weizenanteil. Die Brotgewürze kommen fein gemahlen in den Teig. Wir arbeiten mit einem höheren Roggenanteil als viele Kollegen, das schmeckt dann schon kräftig und intensiv“, erklärt Michael, der mit seinem Vater Josef und seinem jüngeren Bruder Josef bis zu 1500 „Loabi“ pro Tag bäckt. Und weil die Nachfrage groß ist, produzieren die Hellsterns auch zwei Brote mit dem gleichen Teig. Der „Schmoiner Wecken“ ist ein Schusterlaiberl in der Größe eines Brotes. Für den „Jausenlaib“ werden die Brotgewürze wie Anis, Fenchel, Koriander und Kümmel grob gemahlen und sind in der Krume gut sichtbar.

Um die Entstehung des Namens ranken sich einige Anekdoten. Als Schuster konnte man früher nicht viel verdienen und musste daher auch beim Bäcker auf den Preis schauen. Extra für den schmalen Geldbeutel der Schuster produzierten Bäcker ein Gebäck, dessen Teig sie aus Mehlresten in der Backstube anrührten. Das erklärt auch, warum ein Schusterlaibchen aus Roggen- und Weizenmehl produziert wird. Noch dazu war das Schuastaloabi nahrhaft und hielt arbeitende Menschen länger satt als helle Gebäcke. In den aufstrebenden Städten und Orten galten dunkle Brote oder Kleingebäck hingegen als derb und rückständig. Dem Bürgertum der Neuzeit konnte Brot und Gebäck nicht hell genug sein, das galt als „chic“.


SCHWARZBROTREGION ENTDECKERVIERTEL 
Wie ihre Väter und Großväter produzieren die handwerklichen Bäcker mit den Zutaten Wasser, Mehl, Salz, Brotgewürzen und anderen natürlichen Zutaten authentische Brote mit Charakter. Chemische Zusatzstoffe, wie sie in Großbäckereien üblich und auch legal sind, haben hier Haus- und Backstubenverbot. Das dunkle Roggenmehl ist die Basis der Schwarzbrotkultur, wie sie nördlich der Alpen üblich ist. Das typische Hauptbrot jeder Bäckerei ist folglich ein dunkles Roggen-Natursauerteigbrot, je nach Bäckerei mit bis zu 30 % Weizenmehlanteil. Von diesem Brottypus backen die Bäcker auch noch andere Varianten, sei es mit Saaten wie Sesam, Leinsamen, Kürbiskernen, Nüssen und vielen anderen Zutaten.

Das Klosterbrot der traditionsreichen Klosterbäckerei Höllbacher ist eines jener authentischen puren Natursauerteigbrote. Das Rezept geht auf den Großvater von Bäckermeister Lukas Höllbacher zurück. Basis ist ein 3-stufiger Natursauerteig, der zu 80 Prozent mit Roggenmehl und zu 20 Prozent mit Weizenmehl hergestellt wird. Im Teig ist auch ein kleiner Anteil Schwarzroggenmehl enthalten, für das ein hoher Anteil an Schalen des Getreidekorns vermahlen wird, wodurch das Brot noch dunkler wird. Lukas Höllbacher: „Für die Qualität jedes Roggenbrots ist entscheidend, dass der Teig während der Teigreife von etwa 18 bis 20 Stunden immer aktiv bleibt. Nur so baut er das typische mild-säuerliche Aroma in der Krume auf, und das Brot bleibt länger frisch.“ Die Klosterbäckerei steht auf dem Grund des ehemaligen Augustiner Chorherrn-Stiftes Ranshofen, wo seit dem Jahr 1126 gebacken wird. Somit gilt die Klosterbäckerei als älteste Bäckerei der Welt, in der durchgehend gebacken wurde.

In der Biobäckerei Stranzinger ist das „Bio Altheimer Bauernbrot“ ein typisches Beispiel für ein Roggen Natursauerteigbrot. Mit 90 Prozent Bio-Roggenmehl und 10 Prozent Bio-Dinkelmehl von der Huemer Mühle im Ort ist es geschmacklich kräftig. Es war auch das erste Brot, mit dem Vater Rudolf einst seinen Umstieg auf Biobrote einleitete und damit die Basis für das jetzige Sortiment und die Produktphilosophie der Bäckerei setzte. Das Bio-Sonnenblumenvollkornbrot ist ebenso ein Natursauerteigbrot und enthält auch Sesam, Sonnenblumen und Leinsamen. Bekannt und beliebt ist es bei den Kunden als „das Franzibrot“. Tochter Franziska, die seit 2020 die Bäckerei mit ihrem Vater führt, hat sich dieses Brot während ihrer früheren Tätigkeit als Hotelmanagerin in Dubai, den USA oder Mexiko oft als Gruß aus der Heimat schicken lassen.

© Bio-Brote sind stark im Kommen

BROTVIELFALT DIES- UND JENSEITS VON SALZACH UND INN
Im bayrischen Teil des Entdeckerviertels ist die Familie Steinberger gleich an mehreren Standorten mit Bäckereien und Gastronomie aktiv. Auch jenseits von Inn und Salzach bilden Roggenbrote einen wichtigen Teil des Sortiments. Der „Salzachtaler“ der Bäckerei Steinberger wird als 4-Kilo-Laib gebacken. Durch die dafür nötige längere Backzeit sind die Kruste und damit auch die Röstaromen des Brots besonders ausgeprägt. Verkauft wird der Salzachtaler als 1-Kilo-Viertelwecken. Im Trend sieht Veronika Steinberger klar die Vollkornbrote als Teil einer gesunden Ernährung. Ihr Dinkel-Wachauer-Brot deckt diese Bedürfnisse ab. Mit Kürbis- und Traubenkernen setzt die bayrische Bäckerin in diesem Fall auf typisch österreichische Zutaten.

Die Bäckerei Ringeltaube hat natürlich die regionaltypischen Roggen-Natursauerteigbrote in verschiedener Ausführung im Sortiment. Zusätzlich hat sich Bäckermeister Günther Ringeltaube auf italienische Weißbrote spezialisiert. Die dafür verwendeten Weizenmehlteige für Ciabatta oder Toskana-Brot bekommen von ihm eine 3-tägige-Teigführung: „Wie auch beim Roggensauerteig hat das die Wirkung, dass sich das Gluten im Teig abbaut und das Brot leicht verdaubar swird“, erklärt Ringeltaube seine Backphilosophie. In seinem Betrieb wird seit 1650 ununterbrochen gebacken. „So lange gibt es in diesem Haus schon die Bäckerei. Das Haus hat alle Kriege, Krisen und Feuer nahezu unbeschadet überstanden.“


Mit einem Kleingebäck, wie es ideal zur Bierregion Innviertel passt, überzeugt die Bäckerei Schmitzberger ihre Kunden. „Unsere Bierweckerl mit hohem Roggenanteil sind sehr beliebt“, so Bäcker Johann Schöberl. „Diese beiden passen sehr gut zu einem Glas Bier im Gasthaus", erklärt er sich diese Belibtheit auch in der Gastronomie. Aber auch der Roggenlaib und das Früchtebrot haben eine große Fangemeinde. 

© Auch Ciabattas und Baguettes gehören zum Entdeckerviertel

DIE BROTVIELFALT DES EUROPAMEISTERS
Die Familie Sailer zählt zu den alteingesessenen Bäckerfamilien, beliefert zahlreiche Top-Gasthäuser, Beherbergungsbetriebe und große Firmen der Region und produziert ein Sortiment aus mehr als 100 Broten, Gebäck und Mehlspeisen, das jede Vorliebe gründlich abdeckt. „Der Bürgermeister“ ist ein Vollkornbrot der Bäckerei Sailer, auf das Simon Sailer besonders stolz ist: Dieses Vollkornbrot aus Purpurweizen ist ein schönes Beispiel für kreative Brotentwicklung. Der Purpurweizen ist eine alte Weizensorte, die heute wieder verstärkt angebaut wird, weil sie sehr robust und aromatisch ist. Dem Teig beigegeben werden Sojaschrot, Kürbiskerne, Kartoffelflocken und Walnüsse. „Was ich an diesem Brot besonders schätze, ist dass wir Aromavielfalt mit optimalen Ernährungswerten kombinieren“, erklärt Simon Sailer. „Der Bürgermeister ist geschmacksintensiv und ausgewogen, deswegen schätzen ihn auch unsere Kunden“. Der Bürgermeister ist auch das Brot eines Europameisters: Simon Sailer siegte 2021 bei den Euro-Skills, der Europameisterschaft der Gewerbeberufe und Handwerke, und wurde zum Europameister der Bäcker gekürt.

Für Bäcker Stefan Kraxenberger gehören auch die Kleingebäcke zu den typischen regionalen Produkten des Entdeckerviertels: „Bei uns gehen die Mohn-Salz-Flesserl, die Salzweckerl und die Semmeln sehr gut. Jedes Kleingebäck ist ein manuell produziertes Einzelstück aus einem Familienbetrieb, und das schätzen die Kunden sehr“. So nimmt er jeden Tag die Wertschätzung für das Bäckerhandwerk wahr und sieht die Chance für die Familienbetriebe in der Qualität, die ihren Preis haben darf. „So wie beim Brot geben wir auch den Teigen für das Gebäck die Zeit für die Reifung. Jedes Gebäck hat seinen eigenen Charakter, durch die Form, den Teig und die Zutaten wie Mohn, Salz oder Saaten“.
 

Absolute Handarbeit steht auch hinter einem besonderen saisonalen Produkt, auf das sich Bäckerinnen und Bäcker wie auch deren Kundschaft gleichermaßen freuen. Mit der Ernte des Obstes im Herbst beginnt auch die Saison der Früchtebrote oder Kletzenbrote. Das Obst dafür stammt traditionell von den Streuobstwiesen. Diese Brote waren früher eine Möglichkeit, frisches Obst für den Winter haltbar zu machen und dessen Vitamine auch in der kälteren Jahreszeit genießen zu können. Bestandteile des Früchtebrots sind hauptsächlich getrocknete Birnen und Äpfel, aber auch Zwetschen, Beeren und Rosinen finden in der Füllung des Brots Verwendung. In der Bäckerei Zagler gibt es neben der klassischen Variante auch ein Kletzenbrot mit rotem Pfeffer und eines mit gereiftem Camembert. „Beim Kletzenbrot können wir Bäcker uns kreativ austoben. Das Aromenspiel zwischen fruchtig, getreidig und anderen Komponenten macht auch in der Produktion Spaß. Wir haben Kunden, die sich das Brot nach London, Hamburg und andere Städte als Gruß aus der Heimat per Post schicken lassen.“ Somit kommt die Brotkultur nicht nur vor Ort im Entdeckerviertel zur Geltung, sie findet auch ihren Weg in die große weite Welt.

© Bäcker Michael Zagler und seine Kollegen sorgen für Brotvielfalt