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Unterwegs im "Gai"

Im Entdeckerviertel wird noch die alte Tradition des Brot-Auslieferns gelebt. Jeden Tag in der Früh brechen mehrere Fahrer auf und fahren, vollbepackt mit Brot und Gepäck, ins „Gai“, also hinein ins Land, von Haus zu Haus, und kommen ebenso vollbepackt wieder zurück, diesmal mit Geschichten und guten Gefühlen.

„Wir werden immer freudig begrüßt. Dass der Bäcker zu den Menschen kommt und nicht umgekehrt, wird hoch geschätzt. Es gibt ja auch viele Kunden, die ganz alleine leben und nicht mobil sind. Für die hat das noch einmal eine andere Bedeutung“, sagt Michael Zagler. Als sein Vater 1990 die Bäckerei übernommen hat, gab es bereits diese Tradition des „Gai-Fahrens“, die die Zaglers gerne weitergeführt haben. Heute sind es elf Mitarbeiter, die von Montag bis Samstag die verschiedensten Touren abfahren. Einer, der in den letzten Jahren diese Touren mitaufgebaut hat, ist Christian Bemstem. Er sucht aktiv in der Region nach Gemeinden und Standorten, die sich weit ab von einer Bäckerei befinden.

Interessante Begegnungen
Sehr oft hört er dann Aussagen, wie „Bei uns hat der Bäcker eh aufgehört, super, dass ihr kommt!“. Die Touren sind ganz unterschiedlich und führen zu Firmen, Kindergärten, Schulen, Privathaushalten und zu entlegenen Bauernhöfen tief im Land. Manche Stopps sind an fixen Standorten, zum Beispiel am Marktplatz oder in einer größeren Wohnstraße, andere wiederum direkt vor der Haustür nach einer Anfahrt entlang „Hopfen- und Wiesenwegerln“. „Es ist immer ein ‚Hallo’, wenn wir wo stehenbleiben“, so Christian. „Da kommen entweder die Leute aus den Firmen raus und holen sich ihre belegten Brötchen, oder die Bäuerin unterbricht das Melken und freut sich auf ein Tratscherl. Und für einige sind wir halt auch die einzige Ansprechperson seit Tagen.“ Ob alt, ob jung, ob im Pyjama oder im Kostüm, ob arm oder reich – die Gai-Fahrer haben Tag für Tag interessante Begegnungen. Sie kennen viele Geschichten, viele Gepflogenheiten, viele Vorlieben, viele Straßerl und Wegerl, wissen, wo ein Hund schwanzwedelnd auf ein Semmerl wartet, wo es Familienzuwachs gibt, wer Geburtstag hat. Sich Zeit zu nehmen, auch darum geht es beim Gai-Fahren.

© Franziska Stranzinger

Wir haben auch eine Nahversorger-Funktion.
Franziska Stranzinger

Es herrscht großes Vertrauen und totale Ehrlichkeit. Bei manchen wird der Bestellzettel in ein Körberl vors Haus gestellt und das Geld dazu. „Und wenn mal jemand vergisst, das Geld hinzulegen, dann bekommt er natürlich trotzdem sein Brot. Bezahlt wird das nächste Mal“, so Christian Bemstem. Und weiter: „Dieser Beruf ist eine Freude. Wir haben sehr engen Kontakt zu vielen Menschen. Oft schon seit Jahren. Und wir müssen auch viel übers Brot wissen. Viele wollen einfach ‚ein gutes Brot’, und dann liegt es an uns, ihnen die Vorzüge und Geschmacksrichtungen der verschiedenen Sorten zu erklären.“ Bemstem etwa ist kein gelernter Bäcker und für ihn war das am Anfang schon herausfordernd. Mittlerweile aber sieht er sich als „alten Hasen“.

Nahversorger-Funktion
Wer ebenfalls seit vielen Jahren direkt zu den Menschen fährt und Brot und Gebäck bis zur Haustür liefert, sind die Stranzingers aus Altheim. Franziska Stranzinger: „Wir haben da auch eine Nahversorger-Funktion. Bei uns im Sprinter sind ja neben Backwaren zum Beispiel Eier, Milchprodukte, Nudeln, Zucker, Salz, Marmelade. Als mein Opa noch gefahren ist, war auch noch Klopapier oder Katzenfutter mit dabei. Und Obst und Gemüse sowieso.“ Das Besondere am Gai-Fahren sei ihrer Meinung nach das Kontakt halten. „Man muss nicht jedes Mal ein langes Pläuschchen halten, aber ein paar Worte werden immer gewechselt. Bei manchen sind es auch deutlich mehr“, sagt sie und lacht. Aber genau das sei ja das Schöne. Wir leben eben am Land und nicht in der Großstadt, da werde es noch geschätzt, sich persönlich zu kennen und diese Verbindung auch aufrechtzuhalten. Sie selbst etwa kenne viele Kunden bereits seit ihrer Kindheit. Dieses Service des Brot-Zustellens werde enorm geschätzt. „Manchmal machen wir das aber auch außerhalb einer Tour. Wenn zum Beispiel jemand krank ist oder so gar nicht mobil, dann sagen wir schon einmal: „Wart, ich bring dir das schnell.“ Und wenn wir ihnen dann vielleicht noch ein paar Lebensmittel besorgen und Zeit für ein Tratscherl haben – eine größere Freude können wir ihnen gar nicht machen!“