Für Stefan Kraxenberger ist jeder Teig etwas Lebendiges, das genug Zeit braucht, um sich zu seiner vollständigen Geschmacksintensität und Bekömmlichkeit zu entwickeln. Und er zieht hier durchaus auch Parallelen zu einem Leben abseits von Hektik und Geschwindigkeit.
Schon der Semmelteig reift bei den Kraxenbergers mindestens 24 Stunden. Und der Sauerteig für ihr Tirolerbrot etwa 48 Stunden und länger. „Da hat jeder Betrieb seine eigenen Rezepte und Gewohnheiten. Auch laut Lehrplan gibt es hier die verschiedensten Möglichkeiten, und da muss jeder für sich schauen, welche Rezeptur für ihn am besten passen. Ich tüftle halt viel, probiere Unterschiedliches aus, stelle auch mal die Reihenfolge auf den Kopf, und so komme ich dann zu Ergebnissen, mit denen ich zufrieden bin“, sagt Stefan Kraxenberger. Und zufrieden ist er, wenn Brot und Gebäck den Kunden schmecken und auch gut tun.
Den Teigen so viel Zeit zu geben, das hat er schon von seinem Vater gelernt, der die Bäckerei 1990 übernommen und ausgebaut hat. Früher war das ganz normal. Man wusste einfach, was der längere Gär- und Reifeprozess mit dem Teig macht. „Jeder Teig ist etwas Lebendiges. Da sind ja tatsächlich viele kleine Lebewesen drinnen. Wenn ein Teig nun lange reift, arbeiten diese Lebewesen. Gewisse Stoffe werden abgebaut und umgewandelt, zum Beispiel Fett- und Zuckerstoffe. Das macht den Teig wesentlich bekömmlicher. Wenn wir dem Teig diese Zeit nicht geben, muss unsere Verdauung den gesamten Prozess der Umwandlung übernehmen“, sagt er.
"Ich persönlich finde ja auch, dass der Teig als eine Metapher für unser Leben zu sehen ist. Auch unser Leben wird doch deutlich lockerer, verdaulicher und intensiver, wenn wir ein bisschen mehr Ruhe reinbringen, Gedanken reifen lassen und nicht immer nur von einer Aufgabe zur nächsten hetzen“, so Stefan. Ihm fällt auf, dass das Bäckerhandwerk insgesamt zwar wieder mehr geschätzt wird, dass die Menschen gerne auf die Qualität von Bäckerbroten setzen, dass ihnen aber tatsächlich oft die Zeit fehle, noch extra zum Bäcker zu fahren.
Viele erledigen ihren Gesamteinkauf schnell nach der Arbeit und nehmen beim Supermarkt dann eben auch gleich Wurst, Fleisch, Gemüse und eben Brot mit. Das sei absolut kein Vorwurf, sondern so sind eben die Umstände. Dennoch: Es finde ein Umdenken statt, was ihn sehr freut. Die Leute legen wieder Wert auf Frei-Zeit und mehr Qualität im Leben. So sind in den letzten Jahren etwa die Einkäufe auf Bauernmärkten, in Hofläden und regionalen Geschäften langsam wieder gestiegen, wie Stefan betont. Ganz viele Junge sehe man da.
Auch den Kraxenbergers liegt Regionalität sehr am Herzen, weshalb sie ihre Rohstoffe großteils aus der Umgebung beziehen. Viele ihrer Mehle zum Beispiel kommen von der Mühle Huemer in Stern. „Wir kennen uns seit Jahren. Da können wir auch hingehen und Wünsche äußern, etwa wenn wir eine neue Sorte Brot probieren wollen, die etwas dunkler ist, wofür wir ein spezielles Mehl brauchen. So etwas schätze ich enorm. Bei einem Industrieanbieter bist du eine Nummer. Wenn du dort anrufst, wirst du von Person zu Person verbunden.“ Für ihn sind es viele kleine Teilchen, die letzten Endes alle zusammenspielen müssen, um ein Produkt wie Brot zu etwas Gutem zu machen. Von den Zutaten über das Handwerk bis hin zur persönlichen Einstellung. „Da gehört auch das Arbeitsklima dazu. Uns hört man oft aus der Backstube bis in den Verkaufsraum lachen, wo dann gleich mitgelacht wird.“ Und „belachte“ Brote schmecken auch besser.